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Predigt
am 14. Sonntag nach Trinitatis (28.08.2016)
um 9:30 Uhr in Sulzdorf
und um 10:30 Uhr in Tüngental

(Stille – Wochenspruch / „Meine Hoffnung…”)

(Schriftlesung: 1. Petrus 5,5c-11)

Römer 8,12-17:

12. Brüder und Schwestern!
Wir stehen also nicht mehr unter dem Zwang,
unserer selbstsüchtigen Natur zu folgen.

13. Wenn ihr nach eurer eigenen Natur lebt,
werdet ihr sterben.
Wenn ihr aber in der Kraft des Geistes
euren selbstsüchtigen Willen tötet,
werdet ihr leben.

14. Alle, die sich vom Geist Gottes führen lassen,
die sind Gottes Söhne und Töchter.

15. Der Geist, den Gott euch gegeben hat,
ist ja nicht ein Sklavengeist,
sodass ihr wie früher in Angst leben müsstet.

      Es ist der Geist,
den ihr als seine Söhne und Töchter habt.
Von diesem Geist erfüllt rufen wir zu Gott:
»Abba! Vater!«

16. So macht sein Geist uns im Innersten gewiss,
dass wir Kinder Gottes sind.

17. Wenn wir aber Kinder sind,
dann sind wir auch Erben, und das heißt:
wir bekommen teil
am unvergänglichen Leben des Vaters,
genauso wie Christus und zusammen mit ihm.

      Wie wir mit Christus leiden,
sollen wir auch seine Herrlichkeit mit ihm teilen.

Liebe KonfirmandINNen, liebe Gemeinde,

das war ein kleiner Abschnitt aus dem langen Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom.

Der Brief stammt aus dem Jahre 56 n. Chr.

Die Gemeinde, die der Apostel während seiner geplanten Spanienreise besuchen wollte, sollte dadurch die wichtigsten Aussagen der christlichen Botschaft erfahren.

Thema ist der Mensch, seine Bestimmung, sein Wesen, seine Beziehung zu Gott…

Mit anderen Worten: der innere Mensch, sein Geist, seine Sehnsucht nach wirklichem Leben, seine Frage nach dem Sinn des Lebens.

Die in unserer Zeit wieder verstärkte Suche vieler Menschen nach einem spirituellen[1] Leben, und die Sehnsucht nach Transzendenz[2] ist leider besonders außerhalb der Kirchen in esoterischen[3] Gruppen zu finden.
Dabei hätten diese Gruppen in Paulus einen aufmerksamen Zuhörer und Gesprächspartner – auch noch nach 2000 Jahren!

1     geistigen Verbindung zum Transzendenten, dem Jenseits oder der Unendlichkeit.

2     Überschreitung der endlichen Erfahrungswelt <-> Immanenz

3     innerlich (Gr.) / geheim, bestimmte pseudoreligiöse Strömungen „Geheimlehren”

Die wenigsten Menschen suchen solchen Transzendenz-Erfahrungen in der Kirche.

Von fernöstlichen Gurus und teuren Schulungen in Meditationskursen versprechen sich viele Menschen heute mehr als von der Teilnahme an einem Gottesdienst am Sonntagmorgen oder an anderen kirchlichen Veranstaltungen.

In einer renommierten Wochenzeitung heißt es z.B. vom Buddhismus, dass er immer mehr Menschen in Deutschland begeistert, und es schließt sich die Frage an:

„Räumt die Theologie kampflos das Feld?” – und ich frage mich: räumen die Kirchen kampflos das Feld??

Was haben wir an Gott, wie er uns in der Bibel verkündigt wird?

Der Apostel ruft den Christinnen und Christen in Rom zu:
Der Geist, den Gott euch gegeben hat, ist ja nicht ein Sklavengeist, so dass ihr - wie früher - in Angst leben müsstet.

Es ist der Geist, den ihr als seine Söhne und Töchter selber habt, nicht der der Gurus und Priester.

Indem Paulus von der Gabe des Geistes durch Gott spricht, - lässt er die biblische Schöpfungsgeschichte anklingen, wo es sehr anschaulich heißt: (1. Mose 2,7)

„Da nahm Gott, der HERR, Staub von der Erde, formte daraus den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase.

So wurde der Mensch ein (beseeltes, Geist erfülltes) lebendes Wesen.”

Der Geist, den Gott den Menschen gegeben hat, ist also Atem, Luft, Lebendigkeit, Leben und in alledem die Lebenskraft der Beziehung des Menschen zu Gott.

Der Apostel erklärt: der Lebenshauch Gottes ist kein „Sklavengeist”, der euch in Angst hält, der euch den Atem nimmt, sondern „es ist der Geist, den ihr als seine Söhne und Töchter habt”.

Martin Luther übersetzte:
„ihr habt einen kindlichen Geist empfangen”.

Das Wort „kindlich” steht heute in Gefahr, als „kindisch” und damit als unmündig oder naiv missverstanden zu werden.

Aber daran denkt Paulus gerade nicht.

Er vergleicht die Beziehung der Menschen zu Gott mit der eines Kindes zu seinem Vater:

Von diesem Geist erfüllt rufen wir zu Gott: „Abba!”

„Abba” ist ein Wort aus der aramäischen Muttersprache Jesu.
Es bedeutet soviel wie unser wohl vertrautes Wort „Papa”.

Mit dieser vertrauensvollen Anrede beginnt jenes Gebet, das Jesus lehrte und das wir das „Vaterunser” nennen.

Welche Züge trägt unsere Vorstellung von Gott?

Wir bekennen uns im Glaubensbekenntnis zu „Gott, dem Vater, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde…” –

Paulus sagt: Wie Kinder sich ihren Eltern zuwenden und sie mit „Mama“ oder „Papa” anreden, so darf ich mich an Gott wenden, und sein Geist macht uns im Innersten gewiss, dass wir Kinder Gottes sind.

Es ist das Evangelium, die gute Nachricht von Jesus, dem Christus, die den Apostel so sprechen lässt.

In Ihm, Jesus, hat Gott uns sein Gesicht zugewandt, liebend wie ein Vater, tröstend wie eine Mutter, tröstend wie ein Vater, liebend wie eine Mutter.

Die Beziehung, in die Gott uns durch seinen Geist zu ihm stellt, ist eine uns befreiende Beziehung, die für unser Leben nicht ohne Folgen bleiben kann.

Wir sind gefragt, welcher „Geist” uns „treibt” oder „umtreibt”. – Ist es Gottes Geist, der im Leben und Wirken Jesu sichtbar wird und durch seine Auferstehung bestätigt wurde; so leben wir in unseren menschlichen Beziehungen als Menschen, die in den anderen Menschen die Kinder Gottes, seine Töchter und Söhne, sehen, die mit Gottes Geist, seinem Lebenshauch beseelt und beschenkt sind.

Wir leben als Menschen der Hoffnung, die daran glauben, dass die um sich greifenden menschenfeindlichen Tendenzen nicht das letzte Wort behalten, sondern überwunden werden.

Und wir glauben, angesichts von Zerstörung und Tod mit den Worten des alten Nizänischen Glaubensbekenntnisses „an den Heiligen Geist, der… lebendig macht…”

Was der Apostel Paulus vom inneren Menschen und damit vom spirituellen Weg sagt, ist keine leichte Kost.

Es ist ein Aufruf, „mit dem Herzen zu sehen” im Sinne des Ausspruches von Antoine de Saint Exupéry:
„Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für unsere Augen unsichtbar”.

Für mich wurde bereits als junger Erwachsener das französische evangelische Kloster Taizé zu einem Ort der Spiritualität.

Bis heute hat für mich die Kommunität eine wichtige Bedeutung.

Orte der Spiritualität, an denen der Mensch zu sich selbst und zu Gott findet, wollen aber auch unsere Kirchen sein.

Das von Gottes Geist bewegte Leben äußert sich konkret in unseren alltäglichen Beziehungen:

Liebe, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue bezeichnet der Apostel Paulus an anderer Stelle als „Früchte des Geistes (Gottes)”, und es wirkt Gottes Geist, wo betrübte Herzen getröstet werden.

Dieses spirituelle Leben ist in diesem Sinn keineswegs etwas Abgehobenes, sondern ein achtsamer Weg von innen nach außen, ein Weg, der in der „Freiheit der Kinder Gottes” wurzelt, die Jesus Christus bewirkt hat, Dir und mir zugesprochen, - sichtbar in der hl. Taufe und im hl. Abendmahl, im wöchentlichen Gottesdienst – und täglich uns neu geschenkt!

Amen

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