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Predigt
zum Gottesdienst
am 22. Sonntag nach Trinitatis,
den 23.10.2016
in Übrighausen

(Lesung: Phil 1,3-11)

Predigttext, Matthäus 18,21-35:

21.     Da wandte sich Petrus an Jesus und fragte ihn: »Herr, wenn mein Bruder oder meine Schwester an mir schuldig wird, wie oft muss ich ihnen verzeihen? Siebenmal?«

22.     Jesus antwortete: »Nein, nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal!«

23.     Jesus fuhr fort: »Macht euch klar, was es bedeutet, dass Gott angefangen hat, seine Herrschaft aufzurichten! Er handelt dabei wie jener König, der mit den Verwaltern seiner Güter abrechnen wollte.

24.     Gleich zu Beginn brachte man ihm einen Mann, der ihm einen Millionenbetrag schuldete.

25.     Da er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn zu verkaufen, auch seine Frau und seine Kinder und seinen ganzen Besitz, und den Erlös für die Tilgung der Schulden zu verwenden.

26.     Aber der Schuldner warf sich vor ihm nieder und bat: 'Hab doch Geduld mit mir! Ich will dir ja alles zurückzahlen.'

27.     Da bekam der Herr Mitleid; er gab ihn frei und erließ ihm auch noch die ganze Schuld.

28.     Kaum draußen, traf dieser Mann auf einen Kollegen, der ihm einen geringen Betrag schuldete. Den packte er an der Kehle, würgte ihn und sagte: ' Gib zurück, was du mir schuldest!'

29.     Der Schuldner fiel auf die Knie und bettelte: 'Hab Geduld mit mir! Ich will es dir ja zurückgeben!'

30.     Aber sein Gläubiger wollte nichts davon hören, sondern ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld beglichen hätte.

31.     Als das seine anderen Kollegen sahen, konnten sie es nicht fassen. Sie liefen zu ihrem Herrn und erzählten ihm, was geschehen war.

32.     Er ließ den Mann kommen und sagte: 'Was bist du für ein böser Mensch! Ich habe dir die ganze Schuld erlassen, weil du mich darum gebeten hast.

33.     Hättest du nicht auch Erbarmen haben können mit deinem Kollegen, so wie ich es mit dir gehabt habe?'

34.     Dann übergab er ihn voller Zorn den Folterknechten zur Bestrafung, bis er die ganze Schuld zurückgezahlt haben würde.

35.     So wird euch mein Vater im Himmel auch behandeln, wenn ihr eurem Bruder oder eurer Schwester nicht von Herzen verzeiht.«

Liebe Gemeinde!

Von Christen erwartet man etwas Besonderes, ein hohes Maß an Mitmenschlichkeit. Sie müssten Gottvertrauen haben, Nächstenliebe üben und für Versöhnung eintreten. Sie können nicht einfach Böses mit Bösem vergelten, können nicht hartherzig nur den eigenen Vorteil im Blick haben, sie dürfen nicht unbarmherzig sein. Wenn ein Christ sich benimmt wie alle anderen, wird man sagen: Und das will ein Christ sein? (oder: „...aber Sonntags in die Kirche springen, das hat man gern!“)

Sind die Erwartungen an uns Christen nicht zu hoch geschraubt?

Irgendwann muss doch auch einmal Schluss sein mit Helfen und Verzeihen! Wo kommen wir sonst hin?

Petrus fragt nach der erlaubten Grenze und macht sich damit zum Sprecher für viele:

»Herr, wie oft muss ich denn meiner Schwester, oder meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist nicht sieben mal genug?«

Ich kann mich doch nicht ausnützen lassen. Meine Gutmütigkeit muss doch einmal eine Grenze haben!! – Langsam müssen wir ‚mal die Grenzen Dicht machen……(!)

Wie verständlich ist die Frage des Petrus!

Aber Jesus erwartet tatsächlich von seinen Jüngern, dass ihre Liebe grenzenlos ist. „Hör auf zu zählen“, sagt er dem Petrus. „Eure Geduld und Barmherzigkeit soll keine Grenze haben. Fange jeden Tag neu damit an, die Liebe Gottes weiterzugeben. Du empfängst sie ja auch täglich neu ohne Ende.“ Doch die Forderung Jesu scheint eine Überforderung zu sein. Ich weiß nicht, ab es noch Menschen gibt, die beim Gebetsläuten wenigstens einmal am Tag das Vaterunser beten. Und dann ja auch die Bitte »Vergib uns unsere Schuld« täglich neu aussprechen.

Aber das »wie wir vergeben unserm Schuldigern« (nicht jesuanisch) übersteigt - (Beispiele gibt es genug) - oft unsere Kräfte. Darum erzählt Jesus eine Geschichte, die Geschichte vom »Schalksknecht«. Sie beginnt wunderbar, aber sie endet schrecklich.

Jesus sagt: „Vergesst nicht: Ihr lebt allein aus Gottes unendlichem Erbarmen.“

Riesig ist die Schuld, die der Knecht im Gleichnis zu bezahlen hat. Wie soll er je die Millionen aufbringen, die er dem König schuldet? Sein Leben ist verloren. In seiner Verzweiflung verspricht er mehr, als er je halten kann: »Ich will dir's alles bezahlen.«

Da geschieht das Unglaubliche: Der König hat Mitleid mit dem Mann, der das anvertraute Vermögen veruntreut hat, er erlässt ihm die Schuld. Er schenkt ihm Freiheit und Leben, statt darauf zu warten, dass Angehörige und Freunde ihn durch große Summen freikaufen…… Wird ein irdischer König so handeln?

Nein, Jesus redet von Gott, nicht von einem Menschen. Aber Gott tut das Undenkbare: Er lässt uns frei, und die Schuld erlässt er uns auch. Die Geschichte hält uns den Spiegel vor und wir sehen uns selbst: - wir sind nicht so gut, - nicht so fromm, - nicht so schuldlos, wie wir uns gerne einreden.

Gott verdanken wir unser Leben und sind daher dem Nächsten unendlich viel Liebe schuldig geblieben.

Jesus sagt ja auch einmal: „Was ihr getan habt einem dieser meiner geringsten Brüder oder Schwestern, das habt ihr mir getan.“

Und dennoch könnten wir nie mehr zurückzahlen, was wir Gott verdanken.

Es ist Gottes Güte allein, die uns leben lässt und unser Leben erfüllt mit seinen Gaben und seiner Vergebung.

Das ist das Evangelium, die gute Nachricht von Gottes Barmherzigkeit.

EG 354,3: „Wir sollen nicht verloren werden, / Gott will, uns soll geholfen sein; / deswegen kam der Sohn auf Erden / und nahm hernach den Himmel ein, / deswegen klopft er für und für / so stark an unsers Herzens Tür.

Der König schenkt dem Knecht das Leben neu. Sein Leben steht nun also im Zeichen von Gottes Barmherzigkeit.

Wie ist es aber nur möglich, dass der Knecht das nicht begriffen hat?

Eine astronomisch hohe Summe ist ihm geschenkt worden, und doch will er wegen eines läppischen Betrages dem Mit-Knecht an den Kragen. Er hört dieselben Worte, die er eben selbst noch gestammelt hat:

„Habe Geduld mit mir; ich will dir's bezahlen.“

Aber er hat keine Geduld, kein Mitleid, keine Bereitschaft, dem anderen eine Lebenschance zu lassen.

Ich muss da unwillkürlich an „PEGIDA“ und „AfD“ denken. Menschen, die in unserem Land wie die Made im Speck leben, und anderen die Notunterkunft „anzünden.“

Da wenden sich die Mit-Knechte empört von ihm ab. Zu Recht. - »Ein christliches Trauerspiel« hat ein namhafter Theologe dieses Gleichnis genannt. Erschrocken erkennen wir das realistische Bild der Christenheit, vielleicht des eigenen Lebens:

Statt der Bereitschaft, zu vergeben, zu helfen und zu heilen, zu teilen, vergiftet mancherorts christliche Überheblichkeit das Leben.

Da wirft man anderen unchristliches Verhalten vor, statt den Anspruch Jesu auf das eigene Leben zu beziehen. Da will man herrschen, statt zu dienen, verurteilen, statt zu verzeihen, besiegen, statt zu dienen. Wir kennen Beispiele genug.

Manche Ablehnung des christlichen Glaubens hat im unglaubwürdigen Verhalten der Christen ihren Grund.

Aber können wir's denn besser machen? Müssen nicht tatsächlich die Rechnungen in dieser Welt beglichen werden? Geht es ohne Gewaltandrohung gegen das Böse? Und müssen wir uns nicht immerzu einreden, dass wir, wenn schon nicht gute, so doch die besseren Menschen sind? Und drückt uns eine finanzielle Verschuldung nicht weit mehr als unsere astronomisch große Verschuldung vor Gott? Ist jemals die dankbare Freude für Gottes grenzenloses Erbarmen so groß, dass wir gar nicht mehr anders können, als Gottes Vergebung, seine Liebe, seine Geduld und Freundlichkeit – auch dem Nächsten gegenüber - gelten zu lassen? Die Geschichte der Christenheit ist leider entmutigend. Die eigene Lebensgeschichte auch.

Am Ende bleibt mir nichts anderes, als mit dem Schalksknecht zu bitten:

Herr, habe Geduld mit mir. Ich bin nicht besser als der Knecht in deinem Gleichnis. Ich schäme mich vor dir. Hab Dank, dass ich dennoch zu dir kommen darf im Blick auf den, der für mich alles bezahlt hat. Es wird allein deine Gnade sein, wenn ich nicht in dem ewigen Schuldturm ende. Du hast mir das Leben neu geschenkt, mein Gott, darum bitte ich dich :

Hilf mir, dass meine Mitmenschen an mir etwas von deiner Güte spüren, hilf mir, dass ich das neue Leben führe, das deiner Barmherzigkeit entspricht.

Amen

 

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