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Gottesdienste zum drittletzten Sonntag im Kirchenjahr
10.11.2013 in Ober- und Unterbrüden
6. November 2016 in Übrigshausen

Lukas 18,1-8:

1. Mit einem Gleichnis zeigte Jesus seinen Jüngern, den Männern und Frauen, dass sie immer beten müssen und darin nicht nachlassen dürfen. Er erzählte:

2. »In einer Stadt lebte ein Richter, der nicht nach Gott fragte und alle Menschen verachtete.

3. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe. Sie kam immer wieder zu ihm gelaufen und bat ihn: 'Verhilf mir zu meinem Recht!'

4. Lange Zeit wollte der Richter nicht, doch schließlich sagte er sich: 'Es ist mir zwar völlig gleichgültig, was Gott und Menschen von mir halten;

5. aber weil die Frau mir lästig wird, will ich dafür sorgen, dass sie ihr Recht bekommt. Sonst kratzt sie mir noch die Augen aus.'«

6. Und der Herr fuhr fort: »Habt ihr gehört, was dieser korrupte Richter sagt?

7. Wird dann nicht Gott erst recht seinen Erwählten zu ihrem Recht verhelfen, wenn sie Tag und Nacht zu ihm schreien? Wird er sie etwa lange warten lassen?

8. Ich sage euch: Er wird ihnen sehr schnell ihr Recht verschaffen. Aber wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde überhaupt noch Menschen finden, die in Treue auf ihn warten?«

 

Liebe Konfis, liebe Gemeinde!

Geht es euch auch so, dass man eher zum Beten neigt, wenn Sorgen da sind?

Und, dagegen: - wenn alles gut geht, - euer Schöpfer, Gebet und Gottesdienst manchmal ganz in Vergessenheit geraten?

Aber auch in Notzeiten - neigen die meisten Menschen eher zum Resignieren als zum Beten.

Das Gleichnis, das wir gerade gehört haben will uns deshalb helfen:

·         Dass wir nicht müde werden, zu Beten,

·         dass wir mit Gott ringen wie Jakob, bis er uns segnet,

·         dass wir nicht resignieren,

·         dass wir nicht den Mut verlieren und den Kopf hängen lassen.

Wir werden ermuntert, nicht einfach alles so laufen lassen, wie es gerade geht und eben sagen:

„Es kommt wie's kommt, da kann man nichts machen, das ist Schicksal, - man muss sich halt fügen.”

Solche Reden klingen ja fast fromm und gottergeben, und mancher denkt vielleicht:

„… Wenn ich nur auch schon so weit wäre, so ergeben - und mich beugen könnte, unter das Schicksal: mit den

·         Verhältnissen und mit dem Lauf der Welt,

·         dass alles abläuft nach ewigen Gesetzen,

·         dass Geld die Welt regiert,

·         dass die Menschen bestechlich und käuflich sind,

·         dass Macht vor Recht geht,

·         dass die kleinen Leute, die Witwen und Waisen, die Behinderten und die Alten immer die Benachteiligten sind,

·         dass die „Oberen” sowieso machen, was sie wollen,

·         Dass die Ungerechtigkeit überhand nimmt und die Liebe in vielen erkaltet?

·         „das Gute räumt den Platz dem Bösen und alle Laster walten frei”? (J.W.v.G.).

Oder denken wir sogar: Müssen wir nicht in dem launischen Gang des Schicksals, geradezu den Willen Gottes erkennen, dass wir nur sagen müssten:

„Was Gott tut, das ist wohlgetan…” -?

Aber - wenn dieses Resignieren, dieses lasche, scheinbar gottergebene sich Abfinden mit dem Schicksal, - richtig wäre, - dann … dürfte unser heutiger Predigttext nicht in der Bibel stehen!

Dann dürfte höchstens erzählt werden, dass die Witwe das Unrecht ihres Bedrückers still und gottergeben ertragen habe – bis an ihr selig Ende.

Liebe Konfis, liebe Gemeinde, seien wir froh, dass die Geschichte anders lautet!

Sie lautet so, wie es im wirklichen Leben zugeht, nämlich böse.

Wir sehen da drei lebensnah geschilderte Figuren.

Da ist

1. der böse Richter in der Stadt. Der keine Ehrfurcht vor Gott kennt und keine Rücksicht nimmt auf Menschen. Der sein Amt vernachlässigt und sich zunächst nicht kümmert um die Hilferufe der Bedrängten.

2. da ist weiter der böse Widersacher, der Rechtsbrecher, der sich nicht kümmert um die Gesetze und der Witwe das Leben schwer macht, der sie plagt auf alle mögliche Weise.

3. ist da schließlich die böse Witwe in jener selben Stadt, sie ist auch nicht besonders fein. Sie wird aufdringlich und womöglich gemeingefährlich, sodass der Richter befürchten

muss, sie wird ihm noch die Augen auskratzen.

Die Witwe in der Stadt - ein Bild für die Gemeinde Jesu Christi in der Welt.

Die Witwe ist die Frau, der der Mann fehlt. Sie ist darum schutzlos und wehrlos in der Welt und denen preisgegeben, die sie übervorteilen;

ausgesetzt der Gleichgültigkeit und dem Egoismus der sog. Mitmenschen.

Ausgesetzt dem Terror von Drogenhändlern und von raffinierten Betrügern. –

So ist die Gemeinde, die Kirche Jesu Christi dran auch in dieser heutigen Zeit!!

Da scheint der Teufel ein leichtes Spiel zu haben.

Da kann er das Recht beugen und die arme Witwe drangsalieren und an die Wand spielen.

Da geht es so zu, wie es der Prediger Salomo beobachtet hat:

„Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne; und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht litten, und hatten keinen Tröster; und die ihnen Unrecht taten waren zu mächtig, dass sie keinen Tröster haben konnten.”

Keinen Tröster! So scheint es oft zu sein im Leben.

Wir sehen es oft nicht, was im Verborgenen für Unrecht getan und gelitten wird.

Was heimlich für Tränen geweint werden müssen.

Was erduldet und geschluckt werden muss.

Was es da alles gibt an Beleidigungen, an Herzeleid, an Mobbing und Ängsten.

Im Geschäftsleben, im Schulalltag, im Eheleben, im Zusammenleben mit den Kindern, Nachbarn, Kollegen und der Dorfgemeinschaft.

„Allenthalben herrschen Falschheit,” - so drückte es der Reformator Calvin einmal aus: „… Grausamkeit, Hinterlist, Betrug, Gewalttätigkeit, keine Spur von Rechtschaffenheit, keinerlei Scham. Die Armen seufzen und sind unterdrückt, Unschuldige werden schmählich und schändlich gequält; indes scheint Gott im Himmel zu schlafen.”

- Gott im Himmel - das ist der Richter im Gleichnis.

Er schient taub zu sein, er scheint sich gar nicht zu kümmern um die bedrängte Lage seiner Schutzbefohlenen, wie es doch seines Amtes wäre.

Was ist sein Amt? Das Amt des Richters ist das Amt eines Rächers, das eines Rechtsprechers und eines Retters.

1. der Rächer: Wir brauchen uns der Rachepsalmen in der Bibel nicht zu schämen.

Und wir brauchen uns nicht zu schämen, mit den Psalmen und mit der Witwe im Gleichnis - Gott als unseren Rächer anzurufen.

„Räche mich an meinem Widersacher!”

wie es in der Lutherbibel heißt –

(Ps 94,1f.): „HERR, du Gott der Vergeltung, erscheine! Erhebe dich, du Richter der Welt; vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen!” [1]

Das ist keine Aufforderung an den Menschen, sich selber zu rächen. Sondern im Gegenteil:

Mein ist die Rache, spricht der Herr.”

Wenn wir ihn bitten, ihn anrufen, wie die Witwe den Richter, dann heißt das gerade: dass nicht wir selber uns rächen, -

wir dürfen und sollen es Gott überlassen, wie er für die Benachteiligten eintritt.

2. der Rechtsprecher:

Wir können uns nicht selber das Recht verschaffen, das wir zum Leben brauchen.

(Mt 5,6): „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit … [2]”!

So ist Gott: er liebt das Recht und ER tritt für sein Recht und für das Recht seiner Menschen ein.

Und wir dürfen zu Gott mit der Witwe rufen:

Schaffe mir Recht bei meinem Widersacher!”

Wir sollen uns nicht selber gewalttätig das Recht verschaffen, aber wir wollen auch nicht tatenlos dem Unrecht seinen Lauf lassen und nur einfach jammern über das viele Unrecht in der Welt.

Ein gutes Beispiel haben uns vor 24 Jahren die Gemeinden und Menschen in der damaligen DDR gegeben, die mit „Beten und Handeln,” [3] - ohne Gewalt - sich (mit Gottes Hilfe) ihr längst überfälliges Recht verschafft haben!

Wir Christen sollen, - wenn unser Bitten ernsthaft ist, - immer dort zu finden sein, ‚wo man für das Recht der Wehrlosen, Bedrückten und Entrechteten eintritt.

Und wir sollen nicht aufhören, Gott in den Ohren zu liegen:

bitte, lieber Gott, steh auf, und sei ein Richter und Rechtsprecher für die Armen und Elenden im Land.

3. der Richter ist als der Rächer und Rechtsprecher auch der Retter.

Die Witwe ruft: „Rette mich von meinem Widersacher!” Wie es in der Lutherübersetzung heißt.

Und der Richter verheißt: „Ich will diese Witwe retten”.

Wir können uns nicht selber retten, wir können uns nicht selber an unseren eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen wie Münchhausen;

wir sind darauf angewiesen, dass ein anderer uns rettet aus aller Angst und Not, aus Gefahr und aus allen Sünden.

Aber Gott beteiligt uns an unserer Errettung durch die Aufforderung aus Psalm 50:

„Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten.” [4] Wir dürfen Gott beim Wort nehmen, dass er für uns Recht spricht.

So haben wir das ungeheure Vorrecht, ihn jederzeit um Hilfe, um Befreiung anrufen zu dürfen, - von dem was uns quält und Angst macht, und das Tag und Nacht, in guten und in schlechten Zeiten.

„Erlöse uns von dem Bösen!”–

Gott will gebeten sein, - uns ganz zu befreien
Gott will gebeten sein, - uns ganz zu erlösen, -
und jeder / jede soll es sehen können!

Dieser Wille Gottes ist schon erkennbar geworden, nämlich in der Gestalt dessen, der diesen Willen durch ein Gleichnis verkündet:

·         In Jesus Christus ist Gott als der Rächer schon erschienen und hat sich gerächt auf Golgatha.

·         In Jesus Christus ist Gott als der Rechtsprecher schon erschienen und hat sich, und uns Menschen das Recht verschafft: dass wir ihm recht sind, wie viel Unrecht wir auch tun.

·         in Jesus Christus ist Gott als der Retter erschienen, wie wir es an Weihnachten wieder singen: Christ der Retter ist da.

Drum dürfen wir selbst in dieser letzten Zeit um Gottes Rache, Recht und Rettung - auch in den kleinen Dingen des täglichen Lebens – bitten;

- dass er uns Luft zum Atmen gibt,

- dass mehr Recht und mehr Menschlichkeit und mehr Freiheit sich zeigt.

Jesus versichert uns, an Gott soll es nicht liegen, er wird uns bald retten. Er kommt. Das ist keine Frage.

Aber ob er bei seinem Kommen heute und morgen den Glauben findet, der ihm zutraut, was die Witwe dem Richter zutraut, das ist immer wieder die Frage.

Gott kann auch anders.

Gott ist nicht gefangen im Gesetz eines unabänderlichen Schicksals.

Können auch wir anders?

Auch wir dürfen und sollen anders können, als den Mut sinken und den Kopf hängen zu lassen.

Wir dürfen die Häupter erheben, „…weil sich unsere Erlösung naht…” Auch wir können zu der Freiheit kommen, Gott anzurufen, wie die Kinder ihren Vater, oder wie die Witwe ihren Richter.

Es wird nicht umsonst sein.

Er, der gute Richter, der rettende Gott, er wird es hören und Abhilfe schaffen, wenn wir aufdringlich genug bitten:

„Komm doch, komm doch, du Richter groß, und mach uns bald in Gnaden los von allem Übel!” [5]

Heißt es in einem E.-Gesangbuch-Lied;

und im kleinen Katechismus Luthers heißt es:

„Herr, dein Reich kommt - wohl ohne unser Gebet von sich selbst; aber wir bitten in diesem Gebet, dass es auch zu uns komme!”

Und wir haben die Zusage: (Mt 21,22) „Und alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr's empfangen.” [6]

Amen

 

[1] Psalm 94,1f.

[2] Matthäus 5,6a

[3] oder: „ora et labora” oder „Kampf und Kontemplation” – wie es in Taizé heißt

[4] Psalm 50,15a

[5] EG 149,7

[6] Matthäus 21,22

 

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