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Predigt
zu den Gottesdiensten

am 02.11.2017 in der Südd. Gem.
in Michelbach

und am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr
(19.11.2017) in Bubenorbis und Geißelhardt

Matthäus 25,31-46 (Gute Nachricht Bibel)

»Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt, begleitet von allen Engeln, dann wird er auf seinem Herrscherthron Platz nehmen. Alle Völker der Erde werden vor ihm versammelt werden, und er wird die Menschen in zwei Gruppen teilen, so wie ein Hirt die Schafe von den Böcken trennt. Die Schafe wird er auf seine rechte Seite stellen und die Böcke auf seine linke Seite. Dann wird der König zu denen auf seiner rechten Seite sagen: 'Kommt her! Euch hat mein Vater gesegnet. Nehmt Gottes neue Welt in Besitz, die er euch von allem Anfang an zugedacht hat. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd, und ihr habt mich bei euch aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir etwas anzuziehen gegeben; ich war krank, und ihr habt mich versorgt; ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht.' Dann werden die, die den Willen Gottes getan haben, fragen: 'Herr, wann sahen wir dich jemals hungrig und gaben dir zu essen? Oder durstig und gaben dir zu trinken? Wann kamst du als Fremder zu uns, und wir nahmen dich auf, oder nackt, und wir gaben dir etwas anzuziehen? Wann warst du krank oder im Gefängnis, und wir besuchten dich?'

Dann wird der König antworten: 'Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.'

Dann wird der König zu denen auf seiner linken Seite sagen: 'Geht mir aus den Augen, Gott hat euch verflucht! Fort mit euch in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel vorbereitet ist! Denn ich war hungrig, aber ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, aber ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd, aber ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt, aber ihr habt mir nichts anzuziehen gegeben; ich war krank und im Gefängnis, aber ihr habt euch nicht um mich gekümmert.' Dann werden auch sie ihn fragen: 'Herr, wann sahen wir dich jemals hungrig oder durstig, wann kamst du als Fremder, wann warst du nackt oder krank oder im Gefängnis - und wir hätten uns nicht um dich gekümmert?' Aber er wird ihnen antworten: 'Ich versichere euch: Was ihr an einem von meinen geringsten Brüdern oder Schwestern zu tun versäumt habt, das habt ihr an mir versäumt.' Auf diese also wartet die ewige Strafe. Die anderen aber, die den Willen Gottes getan haben, empfangen das ewige Leben

 

 

Liebe Konfirmandinnen/en, liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder, am Mittwoch, zum Buß- und Bettag, und am ersten Advent feiert ihr hier vielleicht wieder einmal einen Abendmahlsgottesdienst. Christus ist in Brot und Wein gegenwärtig.

Doch jetzt haben wir von einer anderen Gegenwart Christi gehört. Das ist nun sein letztes Wort. Nachdem er dies gesagt hat, geht er, und es kommt das Leiden: Gethsemane, Geißelung, der Galgen auf Golgatha. Was wir gehört haben ist sein Vermächtnis an alle Völker und im Besonderen an seine Jünger, an seine Gemeinde.

Was er der Gemeinde (hier in Bubenorbis / Geißelhardt) noch sagen wollte.

Er macht uns heute rechtzeitig darauf aufmerksam, in was für seltsamen Verkleidungen und Gestalten Er uns gegenwärtig ist - und mit ihm Gott selbst.

Während Menschen wie zu allen Zeiten diskutieren: Gibt es Gott? Wo ist Er? Wo ist Er zu finden? – gibt Jesus auf diese so langweilig theoretisch verhandelte Frage hier eine Antwort, die so einfach wie anstößig ist. Wer ist Gott? Wo ist Gott?

Gott ist ein Waisenkind in einem heruntergekommenen Kinderheim in Rumänien. Gott ist eine Kurden-Familie, die zwischen den Fronten der Mächtigen ihre Existenz und den Lebensmut verlieren, Gott ist ein Opfer der gebrochenen Waffenruhe in irgendeinem Kriegsgebiet, Gott ist ein geistig Behinderter in einem unserer Heime, der seit Jahren von keinem seiner Angehörigen besucht worden ist. Gott ist eine alte erniedrigte Prostituierte im Rotlichtviertel der Großstadt. Gott ist das drogensüchtige Mädchen, das wir in einem Fernsehbericht schreien hörten: helft mir doch, helft mir doch!

Gott ist ein Geschundener, Gefolterter, eines brasilianischen Gefängnisses. Gott ist eine ganze Kaste, die niedrig gehalten wird, der die Gleichberechtigung und Freiheit vorenthalten ist. Gott ist der arme Lazarus der Dritten Welt neben den Tischen von uns reichen Christen. Gott wohnt bei verarmten Bauern oder am Ufer beim Kocherquartier. Oder, oder…

Gott begegnet uns in seinen geringsten Brüdern und Schwestern. Gott ist demnach nicht so sehr in unseren Kirchen, und Gemeinschaften er liegt vor den Kirchen der Großstädte und streicht um die Kirchen herum, als schwierige Jugendliche der Großstädte, so dass die Jünger, wenn sie aus den Kirchen herauskommen, über sie stolpern.

Wir sind umgeben von Gott, wo wir gehen und stehen…

Und: er ist nicht mehr nur in der fernen dritten Welt! Der Begriff der neuen Armut ist im reichen Deutschland in aller Munde!

Wir sind umgeben vom elenden, geschlagenen, hungernden, arbeitslosen Gott, der nach uns schreit und ruft…

Gegen Leute, die damals Christus im Himmel suchten und darum bestritten, dass er im Heiligen Abendmahl gegenwärtig sein könne, hat Luther in einer Predigt gesagt:

„Non gaff gen caelum“ - gaff nicht zum Himmel - „hier unten hast dus!“

Luther hat das leider selbst zu wenig bedacht, als er seine grausamen Worte gegen die Juden und die Bauern schrieb.

Aber während er und die Theologen seither über das Abendmahl sprachen, ob und wie Christus unter Brot und Wein im Abendmahl gegenwärtig sei, spricht Christus selbst hier von einer anderen Weise seiner Gegenwart:

wo seine Gegenwart im heiligen Abendmahl Zeichen und Hinweis, Stärkung für uns seine Jüngerinnen und Jünger ist, können wir dann vom Tisch des Herrn aufbrechen hinaus, dorthin, wo der Herr leibhafter gegenwärtig ist.

Gottesdienst, oder Lobpreis, Sakrament, und Gebet, Halleluja-Rufe und Gottesversunkenheit, - das alles hat sein Recht nur als Vorstufe des Aufbruchs hinaus zum gegenwärtigen Christus im Nächsten und in den Elendsstätten der Welt, die auch vor unserer Tür sind.

Und wenn es nicht dazu kommt, zu diesem Aufbruch nach dem vertrauten Gottesdienst, der Stärkung im Heiligen Abendmahl, dann ist es nichts als Selbstgenuss und Selbstsucht und wird verworfen, die beste Theologie und die innigste Frömmigkeit wird in das Feuer des Gerichts verworfen.

„Wir haben dich ja nicht gesehen“, sagen wir zur Entschuldigung und merken nicht, dass unsere Entschuldigung uns zur Anklage wird; denn wir haben seine Gegenwart nur gesucht und genossen im Heiligen Abendmahl, im Hören seines Wortes. Wir haben Dome und Kirchen gebaut und Mission getrieben hinaus über die ganze Welt und Völker, jeden Buchstaben der Bibel aufs genaueste studiert, - und neben uns wird Jesus, den wir lieb haben, ins Gefängnis gesteckt, wird er in einem Billiglohnland ausgebeutet, wird er in Uniformen gepresst und musste auf Schlachtfeldern der Machtpolitik sterben, wird er in Sklavenschiffen verfrachtet nach Amerika, auf Plantagen gepeitscht, nach Auschwitz deportiert, mit Bomben beworfen und heute durch ein raffiniertes Welthandelssystem, an dem wir reichen Weißen unseren Gewinn haben, dem Verhungern und der Unterernährung preisgegeben.

Wenn wir ihn nicht sehen, während wir noch so gut unsere Gottesdienste feiern und unser (frommes / kirchliches) Leben gestalten, dann gibt es keine Entschuldigung, - „Nichtsehen“ ist Sünde. – das hat ja sogar schon in unser weltliches Gesetzbuch Eingang gefunden: „Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar!“

Der geschlagene, gefolterte, hungernde, gefangene Gott neben uns schreit nach unserem Geld und nach unserer Politik.

Natürlich auch nach unserer Politik.

Jesus-Lieder im alten Evangelischen Kirchen Gesangbuch, im Gotteslob und in Gemeinschaftsliederbüchern sprechen eine innige Jesus-Liebe aus. Aber nach dem Maßstab dieses Gleichnisses Jesu fehlen ihnen eines, - die Politik!

Diese einzelnen Gefangenen, Kranken, Flüchtlinge, Fremdlinge, Aussiedler, Asylbewerber, Kinder in Rio, die wir hier nennen müssen, stehen ja je für eine ganze große Gruppe.

Und ihnen zu helfen, heißt nicht nur einen einzelnen gerade herausgreifen, der dann das Glück hat, unsere Hilfe zu bekommen, sondern darauf aus sein, dass allen geholfen wird.

Das hat dann freilich auch die Frage zur Folge, ob unser politisches Engagement und unsere Entscheidung in der Wahl einer politischen Partei wirklich Christus im nahen und fernen Nächsten im Auge hat. Christen haben sich immer lieber um die seelischen und geistlichen Nöte der Menschen gekümmert, um deren Unglauben, deren Aberglauben, um ihre Unmoral. Nun aber sagt Jesus: Auf die leiblichen Nöte um euch herum kommt es an!

Wir verstehen das nicht, wir sagen ihm: Wir dachten doch, der Mensch lebt nicht vom Brot allein, - so dass wir nicht mehr fragen:

„Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden?“, sondern unbesorgt um unser leibliches Wohl sein können? –

Ja, sagt Jesus: für euch, meine Jüngerinnen und Jünger gilt das; euch will ich unbesorgt machen in allen materiellen Fragen, wenn ihr in meinem Dienst steht.

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes! Aber wo ich euch gegenwärtig bin: in meinen hungernden und nackten geringsten, Brüdern und Schwestern, da ist die materielle Frage die entscheidende. –

„Mein eigenes Brot“, sagte der christliche russische Denker Nikolai Berdjajew einmal, „mein eigenes Brot ist nur eine materielle Frage, aber das Brot meines Nächsten ist eine geistliche Frage.“

Manchmal habe ich schon von kritischen Predigthörern gehört: „nicht so viel Politik auf der Kanzel...“ - und: „Verwechseln Sie nicht Christentum und Humanismus, Herr Pfarrer?“ –

Jesus scheint diese Gefahr nicht zu fürchten, nur die umgekehrte Gefahr, dass die Christen vor lauter Christentum und Frömmigkeit nicht humanistisch genug sein könnten. Er fragt nach der praktischen Konsequenz unseres Glaubens.

Oft ist es ja leider so, dass wir die Augen zuhalten, vor der Not um uns her - nicht so sehr weil wir zu bequem sind, als viel mehr unter dem Eindruck unserer Ohnmacht: „Was können wir schon ändern?“ Jesus will auch nicht, dass wir anfangen zu rechnen mit Lohn und Strafe. Die Leute, die er hier in sein Reich aufnimmt, die haben ja auch nicht die Kranken besucht und die Gefangenen aufgesucht und die Hungrigen gespeist, weil sie sich damit einen Platz im Himmel erwerben wollten.

Sie wussten davon gar nichts. Jesus will uns nicht erschrecken. Woran er appelliert, ist nicht unsere Angst, sondern unsere Liebe zu ihm. Er spricht ja zu seinen Jüngern, er will ihnen eine Frage beantworten, die ihnen selbst am Herzen liegt: Wenn du jetzt weggehst, in den Himmel entrückst, - 2017 Jahre von uns entfernt bist, wo können wir dich finden?

Diese Frage, eine sehnsüchtige Frage, beantwortet er uns. Allerdings auf eine uns vielleicht enttäuschende Weise.

Hätte er nur gesagt: Ihr könnt mich finden in Euren Gottesdiensten, in der schönen stillen Feier des Heiligen Abendmahls, - oder gar, wie manche ja auch meinen, im Wald, - in der Natur, dann wären wir wohl zufriedener gewesen. Aber er spricht von einer ganz anderen Weise seiner Gegenwart.

Vielleicht verzweifeln wir ja, angesichts des großen Elends in der Welt. Aber: Den Jüngern ist nicht das Gelingen der Begegnung in den ärmsten Schwestern und Brüdern befohlen, sondern der ehrliche Versuch. Es heißt hier ja nicht: ...und ihr habt mich nicht befreit aus dem Gefängnis ...und ihr habt mich nicht gesund gemacht.

Es heißt nur: Ihr habt mich nicht besucht. Ihr habt den großen Unterschied zwischen eurer Welt und meiner Elendswelt nicht versucht zu verringern. Ihr habt vielleicht im Geist ein bisschen an mich gedacht, mitleidig und in Fürbitte für mich, aber ihr habt mir nicht mit eurer Tat beigestanden, hier im Elend. - Es ist nicht von uns verlangt, den ganzen Ozean von Not auf dieser Erde und in diesem Jahrhundert auszutrocknen.

Aber wo wir Jesus finden können, ist uns gesagt, wo wir anfangen können. Nirgends anders können wir Ihn finden als in diesem Ozean der Not.

Hier das Menschen mögliche zu tun, das heißt Jesu Jüngerin/Jünger sein; jedes mit den Gaben und Grenzen, - und das ist ja auch das tröstliche –NUR jedes mit den Gaben und Grenzen die es empfangen hat, etwas zu tun, gegen das Elend des gemarterten und gekreuzigten Menschen, das heißt Jesus lieben und sein Jünger, seine Jüngerin sein.

Amen

 

 

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