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Predigt
zum Gottesdienst am 6. Sonntag nach Trinitatis,
den 08.07.2018
in Geißelhardt und Bubenorbis
mit ABENDMAHL

Liebe Gemeinde,
dass Christen allein durch ihr vorgelebtes Beispiel anziehend auf andere wirken - so wie man den ersten Christen nachgesagt hat:
„Sehet, wie haben sie einander so lieb!“ - , das gehört wohl leider so gut wie der Vergangenheit an.
In dieser Situation kann uns unser heutiger Predigttext wieder in Bewegung bringen.

1. Mose 12,1-4:

Und der HERR sprach zu Abram:
Geh aus deinem Vaterland
und von deiner Verwandtschaft
und aus deines Vaters Hause in ein Land,
das ich dir zeigen will.

Und ich will dich zum großen Volk machen
und will dich segnen
und dir einen großen Namen machen,
und du sollst ein Segen sein.

Ich will segnen, die dich segnen,
und verfluchen, die dich verfluchen;
und in dir sollen gesegnet werden
alle Geschlechter auf Erden.

Da zog Abram aus,
wie der HERR zu ihm gesagt hatte,
und Lot zog mit ihm.

Diese Verse sind so etwas wie
die Urgeschichte des Glaubens,
liebe Gemeinde, liebe KonfirmandINNen.

„Ich will dich segnen,
und du sollst ein Segen sein“ -
und: „In dir sollen gesegnet werden
alle Geschlechter auf Erden.“

Dieses Angebot macht Gott Abraham,
und: er macht es jedem von uns.

„Selbst gesegnet sein
und anderen zum Segen werden“
-
kann man eigentlich ein erfülltes, ein gelungenes Leben
besser beschreiben als mit diesen wenigen Worten?

Ist es nicht eben das, wonach wir uns eigentlich sehnen,
ob so oder anders ausgedrückt?

Selbst gesegnet sein und anderen zum Segen werden -
wenn Gott in diesem Zusammenhang dem Abraham auch einen „großen Namen“ verspricht
und aus ihm ein „großes Volk“ machen will,
dann können wir das vielleicht auch so verstehen:

Wer so ist, selbst gesegnet und anderen ein Segen,
der wird sich keine Gedanken mehr darüber zu machen brauchen,
dass er ohne Glanz und Ausstrahlung bleibt.

Nein, diese unsere Welt sehnt sich geradezu nach solchen Menschen,
nichts hätte sie, gerade auch heute, nötiger als sie.
Doch auch dies macht diese „Ur-Geschichte“ des Glaubens unabweisbar deutlich:

Dass ein Leben wirklich gesegnet
und für andere zum Segen werden kann,
dies - so sagt es unser Text -
geht offensichtlich nur, wenn der Mensch
zu einem Aufbruch, zu einem Neuanfang bereit ist.

Die Bibel ist voll von solchen Aufbrüchen.

Und immer wieder passieren sie in entscheidenden Situationen
und markieren entscheidende Lebensstationen und Lebenswenden.

Nicht nur Abraham muss ja aufbrechen.

Ohne Aufbruch, ohne das entschlossene Verlassen des bequem Gewohnten,
der Sicherheit und des Komforts der „Fleischtöpfe Ägyptens“
hätte das Volk Israel nie den Weg aus der Knechtschaft in die Freiheit
und ins Gelobte Land gefunden, in dem Milch und Honig floss.

Ohne Aufbruch, ohne Verlassen alles Bisherigen,
des Berufs und der Familie
hätte kein Mensch in die Nachfolge Jesu treten -
und eben dadurch erfahren können,
dass dieser Mann in der Tat „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist.

Die Aufforderung Jesu: „Folge mir nach“
ist ja fast das gleiche wie das Wort Gottes an Abraham:
„Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft
und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.“

Von Aufbrüchen zu reden ist freilich leicht.

Solches Reden könnte leicht übertönen,
wie schwer uns oft genug das Aufbrechen fällt.

Es macht uns Angst,
das Vertraute, Gewohnte einfach zu verlassen,
auch wenn wir noch so klar sehen,
dass darin ein Segen für uns liegt.

Auch das Volk Israel hat sich, nach dem Aufbruch,
oft genug nach den Fleischtöpfen Ägyptens
und der geordneten Unfreiheit zurückgesehnt.

Es hat in Momenten der Resignation und des Unmuts,
das lohnende Ziel: das Gelobte Land aus den Augen verloren -
wir stehen da also in einer „guten“ Tradition,
wenn wir uns unsere Widerstände und Ängste hier ehrlich eingestehen.

Die Frage ist nur, was uns letztlich wichtiger und wertvoller ist:
das Festhalten am alt gewohnten, dem gemütlichen Elend,
in dem wir uns aber auskennen,
oder die Aussicht auf jenes gelingende, erfüllte Leben,
in dem wir selber gesegnet und für andere ein Segen werden können.

Ein solches Leben - das ist die Botschaft unserer Geschichte –
(und die Botschaft der ganzen Bibel überhaupt) -
hat seinen Preis.

Ohne die Bereitschaft zum Aufbruch,
zum Verlassen alter Verhältnisse, Strukturen und Bedingungen,
und seien diese noch so vertraut,
ist gesegnetes und segnendes Leben schlicht nicht zu haben!

Wie sehr hatten doch viele Menschen -
im Osten wohl noch weit mehr als hier -
nach der politischen Wende 1989
auf einen echten Aufbruch gehofft.

Und wie sehr haben viele Christen gehofft,
die Begegnung mit Christen der Dritten Welt
könne zu einem Aufbruch auch unseres Glaubens werden.

Doch eine noch so lange Liste versäumter,
nicht gewagter Aufbrüche
in neues, unbekanntes Land -
was sollte sie uns nützen?

Was wir brauchen, ist das genaue Gegenteil;
das sind die, wenn auch noch so kleinen,
gewagten und gelungenen Aufbrüche von Menschen,
aus dem Vertrauten und Gewohnten,
hinein ins Neue, Unbekannte -
wie Abraham und die vielen anderen,
die es riskiert haben.

Vielleicht müssen wir nur einmal wahrnehmen,
was es auch in unserer Umgebung,
an Aufbrüchen gibt.

Da sind Menschen,
die ein halbes Leben lang „ganz normal“ -
und das heißt ja nach unseren gängigen Maßstäben sehr materialistisch,
vom Haben-Wollen bestimmt,
gelebt haben - und die nun plötzlich entdecken,
dass ihr Leben noch eine ganz andere Dimension hat:

„Was hülfe es dem Menschen,
wenn er die ganze Welt gewönne
und nähme doch Schaden an seiner Seele?“

Und die sich dann aufmachen,
sich auf die Suche begeben
und dabei oft genug auch etwas finden.

Dies kann ein Aufbruch weg vom alten Trott,
hinein in spannendes Neuland sein,
vom Stillstand – manchmal auch vom Rückschritt in die Sklaverei,
z.B. der Abhängigkeit von irgendwelchen Suchtmitteln wie Alkohol, Fernsehen,
oder was immer jedes einzelne von uns in Abhängigkeit hält, -
hinein in einen neuen Weg,
wenn Menschen bereit und willens sind,
aus alten, versteinerten, Leben verhindernden Abhängigkeiten und Bindungen
auszusteigen.

Es ist allerdings ungeheuer wichtig,
ob wir darauf bauen können,
dass Gott es ist, der uns dieses Neuland zeigt,
der uns dort haben will,
weil nur dort für uns Wirklichkeit werden kann,
was einst dem Abraham verheißen wurde:

„Ich will euch segnen, und ihr sollt ein Segen sein.“

Keiner von uns ist von einem solchen Segenswirken Gottes ausgeschlossen.

Wie das im Einzelnen für mich und dich aussieht,
werden wir nur erfahren,
wenn wir uns aufmachen zu einem Neuanfang,
der sicherlich bei jedem von uns anders aussieht
aber ganz gewiss fällig ist.

Amen.

 

 

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